26.02.2010
Kein Silent Hill mehr im eigentlichen Sinne
(basierend auf der US-Version)
Silent Hill Shattered Memories verfolgt irgendwie das gleiche Phänomen wie gewisse Videospielverfilmungen. Sie nehmen sich Namen von Orten und Figuren und sonst haben sie nichts mit der Vorlage gemeinsam. Im Falle von Silent Hill hier wurde aber schon im Vorfeld gesagt dass der Titel lediglich eine Neuinterpretation sein würde - und meiner Meinung nach ist es ganz was anderes geworden.
Die Geschichte vom ersten Silent Hill sollte Videospielern bekannt sein wie gewisse Maskottchen der Branche. Harry Mason - der Protagonist - baut in einer verschneiten Nacht einen Autounfall auf dem Weg in die Kleinstadt Silent Hill und entschwindet kurzzeitig dem Bewusstsein. Nachdem er sich wieder - deutlich benommen - aufrappelt stellt er fest dass die werte Tochter, Cheryl, die auf dem Rücksitz saß weg ist. Die Suche beginnt
Nun, erstmal mag es nicht wirklich spannend klingen, aber genau das war einer der Pluspunkte der Serie. Man weiß nie genau was passieren wird und erfährt erst nach und nach alle Details (im Vergleich zu einem Resident Evil zum Beispiel, wo der Böse sehr schnell ausgemacht ist). Shattered Memories macht hier keine Ausnahme und spinnt das sogar noch weiter aus. Während der eigentlichen Spielpassagen findet man sich nämlich immer wieder einmal in der Ego-Perspektive bei einem Psychiater, dem man der Spieler mehr ode rminder von den Spielabschnitten erzählt.
Hier hat man sich offenbar auch von Eternal Darkness inspirieren lassen, denn je nachdem wie man sich bei dem Psychiater verhält verändert sich das Spiel. Nicht wirklich ein neues Element in Videospielen - für Silent Hill aber schon. Ein Beispiel: Der Arzt gibt Harry, also dem Spieler, ein Bild von einem Haus und einer Familie zum anmalen. Mit den beiliegenden Stiften darf man sich hier austoben wie man will, nur um dann im späteren Verlauf des eigentlichen Spiels exakt dieses Haus mit den verwendeten Farben zu finden. Sogar die Bewohner haben das an was man zuvor auf das Papier gebracht hat.
Nie zu wissen was einen erwartet wird dadurch also durchaus verstärkt und geradezu auf ein neues Level gehoben. Selbst so marginale Dinge wie das betrachten gewisser Bilder beim Psychiater, oder gar im Spiel selbst verändern das Erlebnis auf Dauer - wenn auch manchmal nur minimal durch veränderte Beleuchtungen oder andere Klamotten an Figuren. Man muss aber auch klar sagen dass der "WOW"-Effekt wohl beim zweiten Durchlauf deutlich nachlassen wird, es dennoch witzig ist zu sehen wie sehr sich das Spiel noch abändern kann, indem man einfach mal andere Antworten bei Psychotests abgibt etc.
Völlig umgekrempelt wurde das Kampfsystem, denn es ist quasi nicht länger vorhanden. Ganz auf den Pfaden von Clocktower und Demento (Haunting Ground) kann man nur vor Feinden wegrennen und sich verstecken, was durchaus gut gelöst wurde, aber auch seine Macken hat. Zuerst sei gesagt dass die Verfolgungsszenen im "Albtraum", der Parallelwelt, sehr intensiv und stressig sind. Unmengen an Gegnern rennen dem Spieler nach und halten ihn fest. Zeit um die Karte anzusehen ist hier fast nie vorhanden - funktioniert nämlich in "Fast-Echtzeit" - und wenn vier oder gar fünf Monster an Harry kleben ist ein Abschütteln kaum noch möglich, was nicht zuletzt durch die etwas bockigen Bewegungssteuerungen bei der Verfolgung kommt. Heilen oder sich irgendwie wehren ist auch nicht vorgesehen, ein Game Over erscheint also schneller als man erwartet. Was tun also?
Nun, zuerstmal muss lediglich der Ausgang aus dem Albtraum gefunden werden, was aber durchaus etwas dauern kann. Bis dieser Ausgang gefunden wird heißt es also entweder versuchen an den Gegnern vorbeizuschleichen, was jedoch keinerlei Garantie für Erfolg ist, oder man sucht einen Hotspot zum Verstecken. Diese Punkte sind - wie Ausgänge oder andere interaktive Objekte - im "Albtraummodus" blau leuchtend und kaum zu übersehen. Wirklichen Schutz darf man aber nicht erwarten, denn wer meint ala Clocktower nur warten zu müssen bis die Lage sich beruhigt hat, der irrt. Zu lange im Versteck kommt fast einem GameOver gleich, denn die Gegner lassen sich damit nur kurz ablenken. Alternativ kann man auch einfach panisch umherrennen und Bücherregale oder andere Dinge umwerfen um die Monster zu verlangsamen. Es hilft auch im Stil von Resident Evil 4 durch Fenster oder über Abgründe zu springen, aber all diese Dinge sind nur mit einem Bruchteil von Sekunden mit einer Ruhepause honoriert. Wer Glück hat findet recht selten Fackeln die die Gegner abschrecken, diese gilt es aber schlau einzusetzten und in jedem Albtraum neu zu finden. Der Albtraum ist also wahrlich ein Albtraum und hier kommt wirkliche Panik und wahrer Stress auf - vergesst also Resident Evil 4 mit seiner schier unendlichen Munition!
Den Ausgang aus den Albtraumlabyrinthen zu finden erscheint zuerst freilich auch etwas schwer, aber auch hier wurde gekonnt viel Detailliebe eingebaut. Hält man seine Augen offen findet man nämlich immer hinweise die den Weg aufzeigen. Mal ist es Eis an einer Tür, dann Lampen die immer bei dem richtigen Weg brennen.
Ebenfalls neu sind einige Gimmicks, die natürlich auch an die Wii angepasst wurden. Allem Voran freilich die serientypische Taschenlampe, welche via Pointerfunktion über den Bildschirm navigiert wird und was auch möglich ist während die Spielfigur via Nunchuck und Analogstick gesteuert wird. Die Wiimote selbst wurde aber auch in ein praktisches Handy umfunktioniert in dem alle möglichen und unmöglichen Dinge stecken. Eine GPS-Karte, eine handycam mit der "Geister" sichtbar gemacht werden oder einfach Fotos aufgenommen und gespeichert werden können, die Speicherfunktion, Kurznachrichten, etc. Hier hat man sich wirklich etwas ganz nettes einfallen lassen um die obligatorische Menüstrucktur zu entstauben. Auch ganz witzig: Am Handy kann man auch ablesen wie viel Saft noch in der Wiimote steckt und wie der Empfang zum Sensorbar ist.
Puzzle die die Wiimote und Bewegungssteuerung nutzen sind auch sehr häufig anzutreffen und ein wahres Schmankerl. Stecker ziehen, Dosen schütteln um nachzusehen ob etwas im Inneren ist, Frösche sezieren... Das alles funktioniert wunderbar und zeigt wie sehr man sich hier Gedanken gemacht hat. Da ist es gerade zu nur verwunderlich wieso die Bewegungssteuerung beim Abschütteln von Gegnern manchmal so bockig ist. Die Rätsel wiederholen sich aber sehr oft.
Ansonsten wird auch sehr viel bei der Grafik und dem Sound richtig gemacht. Grafisch übertrifft der Titel schon fast den PS360-Titel der Serie und gerade bei Licht, Eis und Schneeeffekten protzt das Spiel. Vorallem der Schnee ist ein Highlight, denn nicht nur jede Flocke wirft einen Schatten im Licht der Taschenlampe, sondern er wirkt auch verdammt plastisch. Auch der Übergang in die Parallelwelt wird in Echtzeit präsentiert und die Wii geht in Anbetracht der Tatsache dass das Spiel eine relativ offene Welt ohne Ladezeiten hat selbst dabei nicht in die Knie. Auch wenn ganze Wolkenkratzer neu entstehen oder Brücken sich verformen bleibt die Framerate stabil. Lediglich bei Verfolgungsszenen merkt man leichte Verzögerungen wenn Harry eine Tür aufreißt.
Die Gestaltung einiger Menüs symbolisiert Menüs eines Camcorders, was nicht nur zum etwas wirren Intro eine gute Überleitung schafft, sondern auch noch ein anderes witziges Detail bringt. Je schwächer Harry wird desto verzerrter wird das Bild. Man hat quasi eine Bildstörung wie im TV, wenn sich Horden von Monstern am Helden festkletten und er dem Tod nahe steht. Super Details!
Dem steht der Sound freilich in nichts nach. Das kreischen und Glucksen der Monster wirkt zwar erst albern, aber es ist schnell markerschütternd und reicht um Panik zu verursachen. Sprachausgabe ist sehr gut und auch die Wiimote-Effekte überzeugen. Akira Yamaoka liefert wie gewohnt den passenden Score, wenn auch etwas sanfter ab als sonst. Liegt wohl an der "neuen Welt", die ja weniger metallisch ist, aber dazu später mehr.
Um etwas abzukürzen: Ja, es gibt aber auch schlechte Dinge, bzw. Dinge die nicht ganz so gefallen. Fangen wir bei den Figuren an. Wiedererkennung sieht anders aus. Harry hat zwar seinen bräunlichen Mantel an und kurze Haare, aber er ist jetzt Brillenträger. Cybill, die Polizistin, ist zumindest bei mir eine etwas ältere Frau mit roten Haaren und vorallem die Monster... Tja, sie sind nicht abwechslungsreich, sondern irgendwie immer die gleichen, nur mit anderen Köpfen. Vielleicht mag sich hier etwas mit einem anderen Durchlauf und verhalten im Spiel ändern, wenn ich aber offizielle Artworks betrachte sehe ich an dieser Stelle schwarz.
Der wohl größte Kritikpunkt ist jedoch die Parallelwelt. Rostige Welten, blutrote Farben - so erinnert sich der Veteran daran. Das darf man bei Shattered Memories aber getrost vergessen, denn hier ist die Parallelwelt eisig und blau. Sie ist nicht minder verspuhlt und weiß zu überzeugen, aber eines der Markenzeichen wurde damit restlos getilgt. Die Neuinterpretation mag irgendwo gelungen sein, aber es ist nicht mehr Silent Hill in dem Sinne, was auch auf das Aussehen vieler Lokalitäten zutrifft. Daher würde ich den Titel auch eher als eigenständigen Titel ansehen, anstatt als wirkliche Neuinterpretation. Das ist aber wohl Ansichtssache und vom Prinzip ist ja eine Parallelwelt da. Was wäre aber zum Beispiel ein Super Mario ohne Mario, oder ein Zelda ohne Link? Nicht mehr ganz das Wahre...
Wieso hat das SPiel eigentlich auch keinen wirklichen 16:9 Modus? Es bleibt ein dezenter, aber sichtbarer Rand an der linken und rechten Seite, bei denen es manchmal zu unschönen Blitzern kommen kann (weiße "Kanten").
So schlimm die Kritikpunkte nun klingen mögen, der Titel bereitet Spaß - vorallem beim ersten Durchlauf. Mit ca 5-6 Stunden ist der Ausflug in die Kleinstadt zwar auch nicht groß und kann schnell auf andere Arten erlebt werden, aber wie weit das auf Dauer Spaß bereitet muss sich noch zeigen. Ich bin zwar skeptisch den Titel als wirkliches Silent Hll anzusehen, aber als wohl bester Horrortiteln für die Wii in jedem Fall. Veteranen sei ein Anspielen vielleicht angeraten, aber Fans von düsteren Titeln dürfen schon regelrecht blind zugreifen. Zwingend empfehlenswert, denn es wird gezeigt wie Wii-Spielen sein können! Referenz pur!