04.03.2010
Endlich kann ich mir virtuell die Zähne putzen...
...machen wir es kurz. Heavy Rain ist kein Computerspiel. Das ist eine objektive Kritik an der keiner vorbeikommt - mag er auch noch so begeistert von dem Grafikgewitter sein, dass sich da aufbaut. Natürlich sieht das gut aus was da passiert, natürlich ist das stimmungsvoll gemacht, natürlich ist das state of the art 2010 - vom Design bis zum Soundtrack. Nur nochmal - es ist kein Spiel. Wer sich noch an die alten Amiga Zeiten erinnert kann vielleicht ein Lied über Dragon's Lair singen - auf ca. 5 Disketten kam die Comic Orgie. Bis dahin nie dagewesene Animationen versetzten den User in Ekstase. Kurzzeitig, denn auch da war das Problem - mehr Schau als Wow. Hier Joystick rechts, da Joystick links, zack 2 x Feuer drücken um über die Zugbrücke zu kommen - 2 x nach rechts um den Drachen zu besiegen. Magazine und User waren sich schnell einig. Eine tolle Demo die man damals nicht-Computerbesitzern (oder Atari ST Freaks) zeigen konnte - aber spielen - was denn - wie denn? Bar jeder Diskussion. Ich glaube auch hier hat schon jemand den Begriff TECH DEMO verwendet. Dem kann ich zustimmen.
Heavy Rain ist nicht mehr als ein zart angehauchter interaktiver Film. Die Handlung ist viel linearer als einem vorgegaukelt wird, die Freiheiten des Users sind radikal begrenzt - das Teil war produktionstechnisch schon so dermaßen teuer und aufwändig dass man keine x100 Enden und Möglichkeiten implementieren konnte. Letztlich ist man - wie anno dazumal am Amiga ein Joystickknecht der ab und an den Anweisungen auf dem Bildschirm folgt. Falsch - ab und an wäre vielleicht sogar besser gewesen. Viel zu häufig muss man immer wieder denselben Mist gemäß Anweisung machen. Die trivialsten Dinge werden hier zur sinnfreien Interaktion genutzt. Mal ehrlich - wie lange ist es lustig, sich durch auf und ab senken des Controllers zu rasieren, die Zähne zu putzen, sich durch eine Kreisbewegung hinzusetzen und und und. Als der Hauptakteur dann auch noch aufs Klo ging fürchtete ich schon ich muss auch da noch "Hand anlegen". Immerhin das wurde einem erspart. Zugucken durfte - nein musste man aber.
Jede Banalität wurde mit echten Darstellern im Studio gedreht und mit Motion Capturing in das Produkt eingebracht. Verschenken wollte man da nichts - alles wurde verwurstet. Klar, dass das echter wirkt als wenn die Animateure Drahtgittermodelle zum Leben erwecken müssen. Es mag gänzlich unkreativ sein, aber es wirkt realer. Ist es ja auch. Real. Eigentlich haben die Producer nur einen Film gedreht, diesen auf PS3 Niveau herunter reduziert - denn echte Menschen sehen immer noch besser aus und verschiedene Variationen festgelegt so dass auf x y aber auch z folgen kann. Mehr Technik als Kunst, mehr Handwerk als Kreativität, zumal sich die Story selbst ja mehr als deutlich bei Meilensteinen des Genres bedient.
Und der User - der lernt hier nicht nur Däumchen drehen sondern auch Controller rühren. Seinen Grips muss man nicht anstrengen, die Eigenleistung ist - mal abgesehen davon das lahme Nachhampeln stundenlang durchzuziehen so bescheiden wie die weihnachtliche Bescherung im Waisenhaus. Man ist nur Statist in einem Film der sich zart interaktiv schleppend fortbewegt. PUNKT.
Weder Fisch noch Fleisch also - denn als Spiel nicht tauglich, als Film zu zäh - dann doch lieber gleich was straffes ohne Zähne putzen, Ladezeiten, immer wieder dieselben nervigen Aktionen. Verständlich dass der Hersteller stolz auf sein Baby ist - wenn aber das versehentlich falsche Drücken z.B. immer wieder dazu führt dass ich mir angucken muss wie mein Avatar sich laaangsam die Brille aufsetzt und einen Handschuh überstreift, dann wegen falschem Druck das Zeug wieder laaaangsam abstreift ohne dass ich das stoppen kann werd ich wahnsinnig. Ein Stresstest vielleicht - ein Spiel - nicht.
Geschickt gemacht ist die Verflechtung von reinen Animations/Renderparts und leicht interaktiven Shots durchaus - wenngleich man an der Grafik schon noch erkennt was wann ist - also reines Renderkino oder leicht eingreifbedingte Handlungsstränge in reduzierter Darstellung. Es wäre durchaus interessant wie viel Prozent der Zeit die man vor dem (hoffentlich monströs großen) LCD TV nur zuschauend verbringt weil gerade wieder ein Renderschnipsel läuft.
Das kann es nicht sein und so sieht auch sicher die Zukunft des Videospiels nicht aus. Vielleicht kann die Por**industie dem noch etwas abgewinnen und durch Zuschaltung eines Schlüsselreizes hier für etwas mehr Faszination sorgen. Ich behaupte aber dass die User schon ab dem Dritten oder Vierten Produkt dieser Art die Nase gestrichen voll haben. Schon früher kam die berechtigte Kritik dass Spiele nur so gut sind wie die Idee die dahinter steckt. Ein Game trotz miserabler Grafik super sein wenn die Idee brillant ist. Anders herum aber funktioniert das nicht. Das hat Heavy Rain mal wieder eindrucksvoll gezeigt.
Fazit: Eine nette Idee für einen PS3 Showrooom - idealerweise gibt es einen Patch der das Spiel ohne einzugreifen automatisch abspielt. Dann könnte man noch direkter beurteilen ob der Stoff als Film etwas taugt und echtem Kino das Wasser reichen kann. Als heißesten Neuzugang auf dem Spiele Markt und Revolution des Genres taugt Heavy Rain aber nicht. Und das ist auch gut so - denn wenn das was hier abläuft USUS von morgen würde hätten wir eine Welt in der der Mensch wirklich zur Nebenrolle verdammt ist. Und das, kann es doch nicht sein, oder?
Heavy Rain ist nur ein kurzer Schauer der vorüberzieht und allenfalls den Weg zeigt wohin es technisch geht. Nun müssen sich die Hersteller wieder dem inhaltlichen widmen. Ideen, Spielspaß und Genialität sind jedoch Früchte die nicht auf einer Renderfarm wachsen sondern nur auf menschlichem Boden wachsen und gedeihen. Wenn sich die Hersteller dessen nach kurzem Tech-Enthusiasmus wieder bewusst werden sehe ich durchaus Licht am Ende des Game-Tunnels.
5 Sterne für den kurzzeitigen WOW Effekt, 1 Stern für das Gameplay, 4 für den Soundtrack. Macht 3,3, natürlich völlig subjektive Bewertungssterne.
PS: Das "machen wir es kurz", am Anfang dieser Rezension war gelogen.
03.03.2010
Okay für zwischendurch
Mir gefällt das Spiel nicht so gut. Klar, die Idee dahinter ist genial, nämlich die Handlung und den Ablauf des Spiels selbst zu bestimmen. Jedoch kommts mir so vor, als ob man nicht sehr viel wichtige Entscheidungen zu treffen hat. Die meisten scheinen doch eher unbedeutend. Die Steuerung ist sehr nervig. Was mir noch negativ aufgefallen ist, ist, dass in manchen Situationen die Schrift der Tasten dermaßen verschwommen dargestellt wird, sodass man erstmal ein paar Sekunden braucht, um die Texte der Aktionen lesen zu können. Weiters poppen bei Verfolgungsjagden etc die Tasten in blöden Bildschirmpositionen auf zB wenn man mit dem FBI-Agenten den Verdächtigen im Kühlhaus jagd.
Alles in allem: Spiel ist für zwischendurch okay. Einen Meilenstein der Spielegeschichte braucht man sich jedoch nicht erwarten.
03.03.2010
Ein Meisterwerk
Heavy Rain - darauf haben manche von uns vier Jahre gewartet. Die Frage, ob sich diese lange Zeit überhaupt gelohnt hat, ist nicht direkt zu beantworten, aber im Großen und Ganzen kann ich schon einmal eines sagen: Ja!
Schon der Prolog hat mich wirklich schwer beeindruckt und auch der Rest war von vorne bis hinten unglaublich packend.
Aber zunächst mal zur Story an sich:
Ein Killer treibt in einer Kleinstadt in Amerika sein Unwesen. Er wird der Origami-Killer genannt, da er seinen Opfern, allesamt Jungen im Alter von 9-13, in Regenwasser ertränkt, ihnen eine Orchidee auf die Brust und einen kleinen Origami-Hund in die Hand legt. Vier Personen beginnen sich auf die Suche nach dem Killer zu machen, jeder von ihnen hat seine eigenen Motive und Hintergrundgeschichten. Zum einen wäre da der drogensüchtige FBI Profiler Norman Jayden, der 45-jährige Privatdetektiv Scott Shelby, die junge Journalistin Madison Paige und schließlich noch die Hauptperson, der Ingenieur und Familienvater Ethan Mars, dessen Familie durch einen tragischen Vorfall zerrissen wird. Als auch noch einer seiner Söhne vom Killer gekidnappt wird, scheint er am Boden zerstört, macht sich jedoch auf einen gefährlichen Weg, um seinen Sohn zu retten.
Das Gameplay:
Es mag dem "normalen" Gamer seltsam vorkommen, wie Heavy Rain funktioniert und aufgebaut ist. Einen guten interaktiven Film hat wahrscheinlich kaum einer gespielt, denn dieses Genre scheint noch ziemlich unterbewandert zu sein. Doch jetzt kommt so ein französisches Entwicklerteam daher und scheint wie auch bei Fahrenheit alles umzukrempeln - mit Erfolg! Dass die Meinungen da geteilt sind, kann ich nachvollziehen. Bis sich so ein Genre etabliert hat, dauert es ein bisschen, aber meiner Meinung nach ist Heavy Rain in diesem Fall ein kleiner Meilenstein.
Das Spiel ist wie ein echter Thriller aufgebaut. Einziger Unterschied: Du spielst ihn selbst. Du erlebst eine Geschichte auf eine Art und Weise, die Dir den Puls fast dauerhaft in die Höhe treibt. Und vor allem: Du entscheidest selbst. Zwar ist die Storyline natürlich vorgegeben, aber mit 22 verschiedenen Enden zeigt sich, dass alles ganz anders laufen kann. Eine Kleinigkeit kann manchmal viel verändern! Manche behaupten, es würde trotzdem so wenig unterschiedliche Handlungsstränge geben, aber da muss ich einhaken: Wisst Ihr, wie lange es dann gedauert hätte, bis Heavy Rain da gewesen wäre? Garantiert mehr als vier Jahre. Das wäre ein unmögliches Mammutprojekt geworden und zudem: Je komplexer etwas wird, desto mehr Fehler schleichen sich ein.
Das besondere am Spiele-Part ist, dass die Tasten keinen Aktionen zugeordnet worden, sondern nur aus sog. "Quicktime-Events" bestehen, also z.B. drücke die Dreieck-Taste, wenn sie erscheint. Hört sich ziemlich lahm an, oder? Aber ich als Gamer selbst, fand das unglaublich unterhaltsam. Zum einen, weil es das Spielen tausendmal spannender macht (drückt man etwas Falsches kann das erhebliche Folgen haben) und weil man sich wirklich auf den fast schon oskarreifen Film und die spannende Story konzentrieren kann.
Man spielt außerdem aus vier verschiedenen Perspektiven, was sehr interessant ist, denn jeder Charakter hat seine eigene Vorgehensweise und Ansicht.
Neu ist auch, dass Aktionsmöglichkeiten, wie etwa "Beruhigen" (nur eins von tausend Beispielen) und dazu ein paar andere um den Charakter herumschwirren. Dabei passt sich das "Schwirren" der jeweiligen Situation an: Mal ist es hektisch und zittert fürchterlich, mal ist es ein wenig verschwommen usw.
Außerdem kann man auch die Gedanken "hören", was extrem hilfreich ist, wenn man mal nicht weiter weiß.
Die Grafik:
Ein Wort? Bombig. Die beste Grafik bei einem Spiel bisher. Bis das getoppt werden kann, verstreichen sicher ein paar Jahre. Die Umgebungen sehen von vorne bis hinten total authentisch aus und vermitteln stets die richtige Atmosphäre. Die Charaktere selbst wurden echten Schauspielern mithilfe von "Motion Capturing" nachempfunden und sehen äußerst realistisch aus. Ich hatte noch nie das Gefühl gehabt, dass mir eine virtuelle Person so echt vorgekommen ist, sodass ich beinahe schon dachte, dass ich sie selbst kenne ;)
Mehr gibt es auch nicht zu sagen; den Aufwand sieht man deutlich.
Der Soundtrack:
Einfach phänomenal. Und soll ich mal ehrlich sein? Es ist der meiner Meinung nach beste Soundtrack, den es jemals gegeben hat. Sowohl in der Film- als auch in der Games-Branche. Und ich kenne unzählige Soundtracks. Niemals wurde die Handlung so perfekt in Musik umgesetzt. Kauft ihn euch auf iTunes, selbst wenn ihr Heavy Rain nicht kennt. Ehrlich. Ein Feuerwerk der Gefühle. Schon allein der Soundtrack macht in dem Spiel 50% der Atmosphäre aus und schafft es perfekt.
Zum "Sound" an sich im Spiel selbst: Sehr realistisch. Es gibt z.B. eine Szene in einem Einkaufszentrum bei der ich mir echt dachte: Das hört sich ja total echt an!
Man merkt dem Spiel wirklich an, dass selbst die kleinen Details von großer Bedeutung sind.
Sonstiges:
Ihr fragt euch jetzt bestimmt noch, ob sich denn die Story als spannend herausstellt. Ich sage euch eins: Wenn diese Story verfilmt worden wäre, hätte sie mindestens einen Oskar gewonnen und wäre in die Liga von "Sieben" und Co aufgestiegen. Die Auflösung lässt euch hundert pro die Kinnlade wenigstens kurzzeitig herunterfallen. Was mir persönlich noch aufgefallen ist, war, dass auch noch sehr viel Drama beigemischt war. Wirklich gutes Drama! Die Geschichte des Origamikillers ist wirklich raffiniert. Auch die anderen Personen sind liebevoll dargestellt, man leidet mit ihnen mit und sie wachsen einem schnell ans Herz, was sehr untypisch für Videospiele ist.
Was mich etwas traurig gestimmt hat, war eigentlich nur, dass es keine Fortsetzung geben soll. Ich fand es ziemlich blöd, dass man sich von den Personen, zu denen man sogar eine richtige emotionale Bindung aufgebaut hat, gleich "verabschieden" muss. Es soll lediglich 2 oder 3 DLCs geben, die die Story noch etwas erweitern. Da ich schon dank der Special Edition die Episode mit Madison spielen konnte muss ich sagen, dass mich auch das nicht wirklich befriedigen konnte. Das wäre etwas gewesen, das schon ins Spiel selbst mit rein gemusst hätte. Leider kommen solche spitzenmäßigen Titel auch nur alle paar Jahre und wenn, dann werden sie meistens nicht genug gewürdigt.
Negatives:
Die negativen Aspekte tendieren meinerseits gegen null. Lediglich die teils hölzernen Bewegungen waren ein bisschen nervig, aber man gewöhnt sich dran. Ansonsten fiele mir spontan nicht Gravierendes ein.
Fazit:
Heavy Rain ist mit Abstand der beste Spieletitel bisher. Lässt man sich auf die Story und das ungewöhnliche Gameplay ein, wird man eine Erfahrung erleben, die man höchstens vielleicht alle 10-20 Jahre mal miterleben kann.
Die Special Edition ist nicht total berauschend, aber ein echtes Sammler-Muss.
Und mein persönlicher Rat: Lasst euch das Spiel nicht von vornherein von den "Hardcore-Gamern" versauen, die wahrscheinlich einen stinknormales Action-Spiel erwartet haben und Heavy Rain deswegen schlecht machen. Unterstützt Quantic Dream allein deswegen, weil bisher kein Entwicklerteam so viel Einsatz gezeigt hat und sie es sich allemal verdient haben, dass man den Mut von ihnen belohnt. Alle anderen Entwickler können sich eine echt dicke Scheibe von ihnen abschneiden!