09.04.2008
Knüppelharter Biker gesucht
Fans von Motorrad-Rennspielen haben es auf Spielkonsolen nicht leicht und zwar im wortwörtlichen Sinne: denn nahezu immer ist garantiert, dass der Schwierigkeitsgrad happig ausfällt und lediglich sowohl talentierte als auch ausdauernde Zocker eine reelle Chance haben, eines Tages den Abspann erleben zu dürfen. Frust ist quasi vorprogrammiert, allerdings auch ein weitestgehend realistisches Spielgefühl mit garantiert hohem Anspruch. „TT Superbikes“ für die Sony Playstation 2 reiht sich nahtlos in die Reihe jener heiklen Rennsimulationen ein, so dass sich jeder darüber im Klaren sein sollte, dass viele Stunden Training erforderlich sind, um Erfolg haben zu können. Meines Erachtens, um ehrlich zu sein, wurde es mit dem Realismus ein bisschen übertrieben, nein, mehr als das: anspruchsvolles Handling und erstaunlich lange Dauer eines Rennens sorgen dafür, dass schweißnasse Hände und chronische Anspannung der Alltag in dieser Simulation sind, ein entspanntes Zurücklehnen ist hier nicht möglich, auch nicht für Profis, schätze ich. Dass Neulinge und Gelegenheitszocker hier kaum Land sehen dürften, versteht sich daher eigentlich von selbst, es sei denn, man verfügt über außergewöhnliches Talent und ein stahlhartes Nervenkostüm, versteht sich. Wie dem auch sei, zu rügen ist jedenfalls (zumindest etwas), dass ein Onlinemodus nicht berücksichtigt wurde und auch der Mehrspielerspaß mittels Verlinkens mehrerer Konsolen vernachlässigt wurde und somit Multiplayerfans sich lediglich dem Zweispielermodus via Splitscreen widmen dürfen, der uns dann netterweise tatsächlich doch spendiert wurde, zu allem Überdruss leider auch noch wenig langzeitmotivierend ausfiel. Der Schwerpunkt liegt eindeutig beim Herausforderungsmodus für den Solisten, der ebenfalls vorhandene Arcade-Teil auf Dauer eher nur als kosmetisches Beiwerk zu betrachten ist. Jene Herausforderungen haben es jedenfalls ordentlich in sich, nicht nur in Sachen Anspruch und Schwierigkeit, sondern auch im Hinblick auf den Umfang, was eindeutig positiv zu bewerten ist, keine Frage.
Grundsätzlich finden wir zwar lediglich zwei Rennstrecken vor, doch diese sind erstens extrem lang und zweitens in viele einzelne sehr unterschiedliche Etappen unterteilt, Langeweile kommt hier dank vorhandenem Abwechslungsreichtum definitiv nicht auf. Die TT-Strecke der Isle of Man ist weltberühmt und lässt alljährlich die Herzen aller Biker höher schlagen und auf genau jene Spezies ist dieses Game auch zugeschnitten. Die Zielgruppe dürfte nicht sonderlich hoch sein, da Rennspiele auf Zweirädern bei weitem nicht derart oft gezockt werden wie auf vier Reifen. Es gilt auf alle Fälle, dass Ihr Euch in den ersten zwei, drei Stunden knüppelhart durchbeißen müsst: seid Ihr dann noch nicht abgeschreckt, habt Ihr das Gröbste schon überstanden. Sind die anfangs serienmäßigen Abflüge von der Piste überwunden, die anspruchsvolle Steuerung verinnerlicht und die oftmals lange Renndistanz keine hohe Hürde mehr, kann sich eine Art Suchtfaktor entwickeln. Spannend sind die Rennen allemal, die einzelnen Etappen abwechslungsreich angelegt, die fünf CPU-Fahrer immer mächtig auf Zack: sie lassen sich kaum abschütteln. Kleinere Fahrfehler werden regelmäßig bestraft, ein größerer Patzer sorgt umgehend für einen kaum noch wieder gut zu machenden Rückstand. Zahlreiche Streckenbegrenzungen und auch Unebenheiten des Bodens machen uns schwer zu schaffen, hier wurde meiner Ansicht nach etwas übertrieben, denn manche Abflüge passieren, ohne dass wir eigentlich groß gepatzt haben. Im Übrigen beziehen sich die unterschiedlichen drei Schwierigkeitsstufen allein auf das Handling (nicht zu vergessen die separate Vorder- bzw. Hinterradbremse sowie die Verlagerung des Gewichts auf dem Bike), die auf der niedrigsten Stufe entsprechend tolerant ausfällt und uns durch automatische Hilfen wesentlich öfter auf der Piste lässt als bei den höheren Stufen. Das Set-Up an sich ist schließlich nicht sonderlich komplex ausgefallen: für Simulationsfans sicherlich eher eine (mindestens) leichte Enttäuschung. Ansonsten kommen Realismusfreaks aber voll auf ihre Kosten, ein tatsächlicher Windschatten, gelungene Fahrphysik und spürbarer Asphalt tragen erheblich zum entsprechenden Fahrgefühl bei.
In dem bereits angesprochenen Herausforderungsmodus finden wir sieben Rennklassen vor, so unter anderem 125er, 250er, 500er und 1000er als auch beispielsweise Motorräder mit Beiwagen. Acht Pokale und zusätzliche zahlreiche Einzelmissionen erwarten uns. Damit es nicht zu langweilig wird, verwöhnen den Simulationsfan nicht nur anspruchsvolle und abwechslungsreiche Etappenrennen, sondern auch Fahrtests und Standardrennen auf dem insgesamt satte 60km langen Kurs der Isle of Man. Bemerkenswert ist dabei die konstant flüssige Grafik, denn Ruckler sind hier ein Fremdwort, sehr schön. Weniger schön sind die zwischendurch nervig langen Ladezeiten, die im PS2-Zeitalter eigentlich längst abgeschafft sein sollten (es aber offensichtlich immer noch nicht sind) und die Tatsache, dass sich das permanent flüssige Spieltempo offensichtlich durch eine vergleichsweise detailarme Texturierung der Hintergründe „erkauft“ wurde, ehrlich gesagt sieht das Ambiente relativ einfach gehalten aus, ja im Grunde langweilig. Das Design der Motorräder geht allerdings völlig in Ordnung, wobei ich noch anmerken möchte, dass die anwählbare Cockpitansicht wesentlich spektakulärer ausschaut, aber im Grunde nur „heiße Luft“ darstellt, da ein kontrolliertes Steuern mangels Übersicht in Verbindung mit einem Höllentempo nicht möglich ist. Weder 60-Hz-Modus noch 16:9-Breitbildformat wurden integriert, schade. Nett ist sicherlich die Tatsache, dass eine Surroundunterstützung tatsächlich vorhanden ist, jedoch das Hintergrundgedudel vernachlässigenswert ist (erst recht während der Rennen) und die Außengeräusche (wesentlich wichtiger!) sich zu schnell abnutzen, so richtig hört man eigentlich schon nach kurzer Zeit nicht mehr hin. Somit solide, aber keinesfalls mehr, ist das, was uns hier in Sachen Grafik und Soundkulisse geboten wird. Für „TT Superbikes“ sprechen andere Dinge, nämlich Realismus, Anspruch, Umfang, Abwechslung und Spannungsgehalt, negativ hingegen schlagen unspektakuläre Präsentation, bescheidener Multiplayerpart, Ladezeiten und vor allem ein übertrieben knackiger Schwierigkeitsgrad zu Buche. Im Grunde ist dieser PS2-Titel nur etwas für hartgesottene Videospiel-Biker mit einer Engelsgeduld. Wer jene Geduld aufzubringen vermag und sich tapfer durchbeißt, wird allerdings letztlich auch brav belohnt. Spielspaßwertung: 71%.
PLUS --> Sehr realistisch und anspruchsvoll, abwechslungsreich, viele Rennklassen, angenehmer Umfang, spannend
MINUS --> Überzogen harter Schwierigkeitsgrad: hartnäckige CPU-Fahrer und Beschaffenheit der Strecken machen uns höllisch zu schaffen, lange Eingewöhnungsphase, schlapper Multiplayer, unspektakulär präsentiert